Diskriminierung von Wohlstand
Kaum ein Tag vergeht ohne Forderung nach mehr Umverteilung. Es scheint als wäre Umverteilung dass Allheilmittel für alle aktuellen Herausforderungen. Egal, ob es um Klimaschutz, Mieten, Renten oder Steuern geht, gefühlt wird jedes politische Vorhaben mit der Forderung nach einer höheren Belastung für „die Reichen“ verbunden. Mit oftmals durchaubarer, populistischer Motivation wird ohne Not das Feindbild des bösen „Reichen“ kreiert und gepflegt. Die resultierende Polarisierung und Emotionalisierung spaltet unsere Gesellschaft und trägt so zu zunehmender Verrohung und Politikverdrossenheit bei.
Damit ich nicht missverstanden werde, möchte ich gleich zu Beginn dieses Artikels klarstellen, dass ich die soziale Marktwirtschaft für das beste Wirtschaftssystem der Welt halte. Nur sie garantiert den Bürgern Chancengleichheit und die Möglichkeit in Wohlstand zu leben. Gleichzeitig trägt sie Sorge dafür, dass kein Bürger unverschuldet auf der Strecke bleibt. Solidarität der Starken mit den Schwachen ist zentraler Bestandteil und verleiht dem „kalten“ Kapitalismus ein „warmes“ Antlitz.
Das Gerechtigkeitsargument ist nicht zielführend
Jegliche Debatte in unserem Land wird über den Gerechtigkeitsbegriff geführt. Doch dieser bleibt unscharf und erlaubt jedem eine eigene Definition von Gerechtigkeit.
Die Gerechtigkeitsdiskussion wird, meiner Meinung nach, immer aus der Frosch-Perspektive geführt. Es geht stets um die jeweils eigene Klientel, der angeblich Ungerechtigkeit wiederfährt.
Häufig wird argumentiert, dass es ungerecht sei, dass einige wenige vermögender seien als der Rest der Gesellschaft. Aber ebenso lässt sich fragen ob es gerecht ist, dass eine Minderheit die Hauptlast einer Gesellschaft trägt? Ist es gerecht, dass wir in Deutschland in einer der reichsten Gesellschaften leben, während anderswo Kinder in unseren Müllbergen spielen? Ist es gerecht, dass Menschen mit den Waffen, die wir verkaufen, getötet werden? Ist es gerecht, dass Teile unserer Bevölkerung, den vor diesen Waffen flüchtenden Menschen, Hilfe verweigern wollen? Ist es gerecht, dass Menschen, denen es schlechter als uns geht, im Mittelmeer ertrinken?
Die Liste der Ungerechtigkeiten lässt sich endlos fortführen. Die Argumentation über Gerechtigkeit ist sinnlos und erinnert an Kinder, die sich beschweren, dass es ungerecht sei, das andere Kinder mehr Taschengeld bekommen. Zumindest bei meinen Eltern zeigte dieses Argument keine Wirkung…
Es gibt keine absolute Gerechtigkeit
Die Wahrheit ist, dass die Ungerechtigkeit bereits in der menschlichen Existenz angelegt ist. Wir alle werden von der Natur mit unterschiedlicher Intelligenz und unterschiedlichen Fähigkeiten ausgestattet. Niemand kann sich sein Elternhaus, das Geschlecht, die Hautfarbe oder die Gesellschaft, in die er geboren wird, aussuchen. Das ist wahrlich ungerecht, aber wohl schwerlich zu ändern.
Um eine sachliche Diskussion zu führen, sollten wir lernen zu akzeptieren, dass es keine absolute Gerechtigkeit gibt und wir diese auch nicht nachträglich herstellen können.
Der Staat (und das sind wir alle gemeinsam), kann lediglich Rahmenbedingungen schaffen, in denen jeder Bürger die gleichen Chancen hat. Ein wesentliches Element ist die auf die Fähigkeiten des Einzelnen (und nicht die Bedürfnisse der Wirtschaft) ausgerichtete Bildung beziehungsweise Aus- und Fortbildung. Doch gerade dieses Element wird seit Jahren in unserem Land sträflich vernachlässigt und als ideologisches Experimentierfeld missbraucht.
Die Versäumnisse im Bildungssektor manifestieren sich beispielsweise in prekären Arbeitsverhältnissen und einem ausgeprägten Niedriglohnsektor. Die Symptome des selbstverschuldeten Problems sollen mit ständiger Umverteilung von oben nach unten bekämpft werden.
Solidarität wird durch Gerechtigkeit ersetzt
Neben der Schaffung von Chancengleichheit ist es Aufgabe des Staates den Zusammenhalt der Bevölkerung zu stärken und dafür Sorge tragen, dass niemand unverschuldet in Not gerät. Das nennt man Solidarität oder Solidargemeinschaft.
Nun kann man trefflich darüber streiten, welches Maß an Solidarität erforderlich und angemessen ist. In einer gesunden Demokratie sollte dies fortlaufend neu verhandelt werden. Doch de facto diskutieren wir schon lange nicht mehr über Solidarität; also dem Minimum an Hilfestellung, die unsere Gesellschaft ihren schwächsten Gliedern gegenüber erbringen sollte. Wir diskutieren statt dessen ausschließlich darüber wie gerecht Vermögen in unserer Gesellschaft verteilt ist.
Es ist jedoch nicht Aufgabe des Staates wirtschaftliche Ungleichheit unter dem Gerechtigkeitsaspekt zu egalisieren. Das hat mit Solidarität nichts zu tun und endet ideologisch im Sozialismus. In der Praxis in einer Autokratie oder Diktatur, in der eine kleine Elite bestimmt, was gerecht ist und was jedem Einzelnen zusteht oder nicht.
Reichtum als Diskriminierung
Der Reichtumsbegriff ist ebenso schwammig und unscharf wie der Gerechtigkeitsbegriff. Wer ist denn gemeint wenn es pauschal um die „Reichen“ geht? Und wo beginnt „Reichtum“? Geht es um Menschen mit einem überdurchschnittlichen Einkommen? Sind Menschen mit Kapitalvermögen oder Immobilienbesitz gemeint? Oder geht es um Unternehmer und Erben?
In Abhängigkeit von der eigenen Lebenssituation und -phase hat jeder seine eigene Vorstellung von Reichtum. Für den Azubi mit 500 Euro Ausbildungsvergütung erscheint jemand mit einem Monatseinkommen von 5.000 Euro vermutlich schon als sehr reich, während dieser sich als Gutverdiener und nicht als reich empfindet. Gemeinsam ist allen, dass sie immer nur die Menschen als reich empfinden, die es noch besser haben, als sie selber. Das Muster, welches sich herauskristallisiert ist Neid.
Unabhängig davon, wird „Reichtum“ häufig als unverdient oder gar unehrlich diffamiert.
Ausgeblendet wird, dass Wohlstand in den allermeisten Fällen nicht aus dem Nichts ensteht, hart erarbeitet, durch Verzicht erspart oder über Generationen gemehrt und bewahrt wurde. Darüber hinaus leisten „Reiche“ einen großen Beitrag für unsere Gesellschaft. Sie schaffen Jobs, zahlen die meisten Steuern, spenden am meisten und betätigen sich sozial im Stiftungswesen.
Das fortwährende und aus meiner Sicht zunehmende Bashing der „Reichen“ ist diskriminierend, leistungsfeindlich und treibt einen Keil in unsere Gesellschaft.
Die Aufgabe der Politik ist es den Zusammenhalt der Gesellschaft zu stärken, statt sie zu spalten. Sie muss Konzepte entwickeln, die es allen Bürgern ermöglichen, mehr Wohlstand aufzubauen statt den vorhandenen Wohlstand umzuverteilen.
Das erfordert mehr als einfache Lösungen, die in einen Tweet passen. Wir leben in einer komplexen Welt, die ebenso komplexe und erklärungsbedürftige Konzepte erfordert. Ein wesentlicher Treiber der Politikverdrossenheit ist meiner Meinung nach, dass selbst einfachere Gemüter ein diffuses Gefühl dafür haben, dass die Antworten der Vergangenheit nicht auf die Fragestellungen der Zukunft anwendbar sind.