Warum Solidarität gerade jetzt durch das Coronavirus wichtig wird
Vor einigen Wochen habe ich über Diskriminierung von Wohlstand geschrieben. Heute leben wir mit dem Coronavirus in einer anderen Welt. Die Herausforderungen, die vor wenigen Wochen noch existenzbedrohend erschienen, sind in den Hintergrund gerückt. Es ist offenkundig geworden, wie fragil unsere Wirtschaft ist, die unser aller Wohlstand garantiert.
Neid, Missgunst, der Ruf nach Umverteilung und mehr staatlicher Intervention sind sicher nicht aus der Welt und werden mit der Normalisierung der Verhältnisse wieder lauter werden.
Was sich aber bereits geändert hat und weiter ändern wird, ist die Lastenverteilung und deren Ursache. Das Coronavirus ist hochgradig ungerecht beziehungsweise unsozial und betrifft besonders die weniger wohlhabenden Menschen unserer Gesellschaft, die dafür Solidarität und Ausgleich verdienen.
Geringverdiener unterliegen einem höheren Infektionsrisiko mit dem Coronavirus
Menschen, die über geringes oder kein Einkommen verfügen, unterliegen mutmaßlich einem höheren Infektionsrisiko als wohlhabendere Menschen. Social Distancing ist nur schwer umsetzbar, wenn man eine Tätigkeit ausübt, die nicht von zu Hause erbracht werden kann, auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen ist oder in verdichteten Verhältnissen lebt.
Dem größten Risiko dürften vermutlich Asylanten, Flüchtlinge und Migranten ausgesetzt sein, die auf engem Raum in Flüchtlingsunterkünften leben und weitere Strecken ausschließlich per Bus und Bahn zurücklegen können.
Gleiches gilt für alle Menschen, die sich kein eigenes Auto oder gar ein Einfamilienhaus, in das sie sich jetzt zurückziehen könnten, leisten können. Gerade Geringverdiener sind häufig in Bereichen tätig, die aktuell für die Aufrechterhaltung unserer Grundversorgung wichtig sind. Seien es Kassierer(innen), Lieferfahrer(innen) oder Pfleger(innen), all diese Berufe sind tagtäglich für uns im Einsatz und setzen sich dem Risiko einer Infektion aus.
Die wirtschaftliche Betroffenheit durch das Coronavirus ist ungleich verteilt
Die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie werden in erster Linie Geringverdiener zu spüren bekommen. Gastronomie, Einzelhandel, Frisöre, Dienstleister, Solo-Selbständige und zahlreiche mehr können ihre Tätigkeit nicht aus dem Home-Office erbringen und so von einem Tag auf den anderen keine Einnahmen mehr generieren. Sie operieren oft ohnehin mit geringen Margen und sind daher nicht in der Lage gewesen, opulente Rücklagen zu bilden. Sie sind akut von Konkurs bedroht und werden als erste gezwungen sein, ihre Beschäftigten in die Arbeitslosigkeit zu entlassen.
Es trifft die, die es ohnehin nicht leicht haben, als erste und am härtesten.
Gleichermaßen wird aktuell aber auch offenkundig, welche Verantwortung Unternehmer tragen. Es zeigt sich, wer sein Unternehmen verantwortungsvoll führt und in der Vergangenheit ausreichende Liquiditäts-Polster angelegt hat, um seinen Betrieb und dessen Belegschaft durch stürmische Zeiten führen zu können. Nicht wenige Unternehmer haften mit ihrem persönlichen Vermögen. Daher werden wir vermutlich auch so manchen sozialen Absturz in Folge von Insolvenzen erleben.
Meine Hoffnung: die Coronavirus-Krise stärkt Zusammenhalt und Solidarität
Anlässlich der Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten habe ich eine große Welle der Solidarität verspürt. Meiner Erinnerung nach war damals vielen Menschen bewusst, dass die Wiedervereinigung teurer wird, als die Politik es uns weismachen wollte. Dennoch gab es eine große Bereitschaft, die Lasten gemeinsam zu schultern, damit das einmalige Ereignis zu einem guten Ende führt.
Meine Hoffnung ist, dass der momentane Zusammenbruch unserer Wirtschaft zu einer vergleichbaren Welle der Solidarität und des Zusammenhalts führt. Vielleicht kann sogar die Spaltung und Radikalisierung unserer Gesellschaft überwunden werden.
Der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung wird möglicherweise steigen, vielleicht gibt es eine Neuauflage des Soli oder eine Anhebung der Mehrwertsteuer. Niemand kann das bereits heute vorhersagen. Es ist jedoch recht offensichtlich, dass es unbequeme Maßnahmen geben wird, um den finanziellen Schaden zu beheben. Der wohlhabendere Teil der Bevölkerung sollte sich an die ungleiche Verteilung der direkten Folgen der Corona-Krise erinnern, wenn es darum gehen wird, einen höheren Teil der fiskalischen Lasten zu tragen.
Gleichzeitig wäre es wünschenswert, wenn man sich daran erinnert, welche persönlichen Lasten manch Unternehmer auf sich genommen haben wird, um seine Belegschaft nicht entlassen zu müssen, wenn wieder pauschal auf die Reichen geschimpft wird.
Mein letzter (naiver) Wunsch ist, dass wir unseren Blick auch über unser eigenes Land hinaus weiten und zukünftig beispielsweise mit weniger Teilnahmslosisgkeit nach Afrika schauen, wenn dort die nächste Ebola-Welle heranrauscht.